Eleganz auf vier Rädern
Im Mai 1907 lieferte Waggonbau Lindner aus Ammendorf bei Halle / Saale zwölf kleine Triebwagen von denen die Wagen Nr. 1 und Nr. 2 am 2. September 1907 den elektrischen Straßenbahnverkehr in der Residenzstadt Potsdam eröffneten.
Die Fahrzeuge bestachen besonders durch ihre luxuriöse Innenausstattung: zwar gab es in den Wagen nur Holzbänke, diese jedoch waren mit gewebten Sitzdecken behängt, die ein prachtvoll eingesticktes Stadtwappen trugen. Nur edelste Hölzer wurden für die Innenverkleidung verwendet und die Decken mit Malereien geschmückt.
Außen waren die Wagen elfenbeinfarben und mit roten und schwarzen Zierstreifen versehen. Auch hier prangte das Potsdamer Stadtwappen.
Die gesamte technische Ausstattung lieferten die Siemens-Schuckert-Werke Berlin. In diesem Zustand präsentiert sich heute auch wieder der liebevoll wieder aufgebaute Wagen mit der Nummer 9.
In den 1920er Jahren wurden diese ersten Potsdamer Straßenbahnwagen erstmals umgebaut und den Bedürfnissen ihrer Zeit angepasst, ein Vorgehen, das Straßenbahnwagen bis heute für lange Einsatzzeiträume fit macht.
Die ersten Umbauten sollten vor allem dem Fahrpersonal das Arbeiten erleichtern. Stand der Wagenführer bis dahin bei Wind und Wetter auf einer offenen Plattform, wurde diese nun mit einer Verglasung versehen. Die erste Variante war geprägt durch eine mehrfach unterteilte Frontverglasung, die entfernt an ein Küchenbüffet der damaligen Zeit erinnerte. Schnell hatten die Wagen so ihren Spitznamen "Küchenmöbel" weg.
Später leistete man sich eine durchgehend verglaste Frontscheibe, die natürlich wesentlich besseren Durchblick garantierte - im immer dichter werdenden Straßenverkehr durchaus nicht ganz unwichtig. Türen gab es allerdings immer noch nicht, die Ausstiege waren weiterhin offen.
Die Potsdamer Verkehrsbetriebe entschieden sich damals auch, ihre Fahrzeuge neu zu lackieren uns so wurden alle Bahnen mit der für Potsdam lange charakteristischen braun-weißen Lackierung versehen, die bis ca. 1950 Anwendung fand. Gern wurden die schokobraunen Wagen der Potsdamer Straßenbahn daher auch "Kakao-Bahnen" genannt.
In den 1930er Jahren bekamen die Fahrzeuge dann erstmals auch Scheibenwischer, Rückleuchten und Fahrtrichtungsanzeiger, also Blinkleuchten - alles technische Einrichtungen, die heute nicht wegzudenken wären, damals jedoch gerade erst ihren Weg in und an die Fahrzeuge fanden.
Schon 1932 wurden die Wagen Nr. 1 und Nr. 2 mit stärkeren Motoren ausgestattet. Sie mussten schließlich die steile Rampe hinauf zum Brauhausberg nehmen können, die seit 1930 in Betrieb war. Sechs Jahre später, 1938, wurden auch alle übrigen Lindner-Wagen mit neuen Motoren versehen.
Während des II. Weltkrieges leisteten die Lindner-Wagen ihre wichtigen Dienste nicht nur im Personenverkehr, sondern transportierten auch Kohle und andere lebenswichtige Güter.
Beim Bombenangriff auf Potsdam am 14. April 1945 gingen sieben Fahrzeuge im Betriebshof Holzmarktstraße verloren. Einzig Wagen Nr. 20 konnte aus Resten des Wagens Nr. 22 wieder aufgebaut werden.
Auch die restlichen, inzwischen gut 40 Jahre alten Wagen konnten in den ersten Jahren unter großem persönlichen Einsatz der Angehörigen des Verkehrsbetriebes wieder hergerichtet werden. Sie taten noch bis in die späten 1950er Jahre verlässlich ihren Dienst.
Ganze elf Wagen wurden sogar noch älter: sie wurden mit einem gänzlich neuen Wagenkasten versehen. Dabei wurden nun endlich auch die offenen Ausstiege mit Türen verschlossen.
So umgebaut traf man diese Wagen noch bis weit in die 1960er Jahre in Potsdams Straßen an. Drei Fahrzeuge nutzen die Verkehrsbetriebe noch bis 1971 als Arbeitswagen. Sie zogen Loren durch die Stadt, und dienten beim Gleisbau.
Leider hatte man in Potsdam kein Interesse daran, wenigstens einen dieser wertvollen Wagen zu retten. Man wollte einer neuen Zeit entgegen gehen und da stand „alter Kram“ nur im Weg.
Und doch war es dieser "alte Kram", der dafür sorgte, dass die Geschichte der Potsdamer Lindner-Wagen nicht an dieser Stelle endete.
Alles rund um den Wiederaufbau von Motorwagen Nr.9
Endstation Glienicker Brücke. Ein Lindner-Wagen auf der Linie B. Foto: Sammlung HSP e.V.
Lindner-Wagen Nr.12 auf der Langen Brücke.
Im Hintergrund das Stadtschloss Friedrichs II.
Foto: Sammlung R. Leichsenring
Als Babelsberg noch nicht in Potsdam lag:
Lindner-Wagen Nr. 17 an der Endstation Plantagenstraße.
Foto: F. Grünwald / Sammlung R. Leichsenring
Dreiwagenzug der Linie 1 am Bahnhof Potsdam.
Foto: Sammlung R. Leichsenring
Trotz Trümmerwüste - der Tramverkehr rollt.
Vor
dem Haus des Handwerks am Platz der Einheit.
Foto: Sammlung R. Leichsenring
Mit kantigem Gesicht in die 1950er Jahre. Der geschlossene Wagenkasten erleichtert vor allem dem Fahrpersonal die Arbeit.
Foto: Sammlung R. Leichsenring
Die letzte Station im Leben einiger Lindner-Wagen:
als Arbeitswagen waren einige noch bis 1971 vorhanden.
Foto: W. Schreiner / Sammlung HSP e.V.
Die Turmlore Nr. 311. Später ihres Aufbaus beraubt,
sollte sie zur Basis für den Wiederaufbau werden ...
Foto: W. Schreiner / Sammlung HSP e.V.